EKD-Treffen im März 2025 in Hessen-Nassau
Bundestagung der Polizeiseelsorge diskutiert über „Kritische Solidarität“
Die Polizeiseelsorger:innen aus ganz Deutschland in Arnoldshain im Taunus
Kategorie: Berichte
Quelle: Polizeipfarramt der EKHN
Bildrechte: ©ekhn_PolPfarramt
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(v.l.) Professor Tobias Singelnstein,Wissenschaftliche Mitarbeitern Hannah Espín Grau. Ltd. Polizeipfarrerin Barbara Görich-Reinel
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EZB-Hochhaus hinter der alten Großmarkthalle
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Stefan Kunrath, Bundeskoordinator für die Evangelische Polizeiseelsorge in Österreich
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Pfarrer Uwe Köster, Polizeiseelsorger in Bremen und Vorsitzender der KEPP
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Polizeiseelsorge in "kritischer Solidarität"
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Empfang mit der Kirchenpräsidentin der EKHN Christiane Tietz (r.)
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(v.l.) Julian Junk, EKHN-Oberkirchenrat Martin Mencke, Landespolizeivizepräsident Felix Paschek, Polizeipfarrer Armin Kistenbrügge
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Kriminologin, Sozialpädagogin und Professorin für Organisationspädagogik in Kiel
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Professor für Psychologie und Einsatztraining Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS)
Welche Erwartungen und Chancen bietet „kritische Solidarität“ als Leitbegriff für den Dienst der Polizeiseelsorge? Darüber haben die Polizeiseelsorger:innen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) intensiv diskutiert, als sie zur Frühjahrestagung der Konferenz Evangelischer Polizeipfarrerinnen und Polizeipfarrer der EKD (KEPP) im März 2025 in Arnoldshain im Taunus zusammenkamen. Organisiert hatte die Zusammenkunft der Polizeiseelsorger:innen aus allen deutschen Bundesländern und evangelischen Landeskirchen das Polizeipfarramt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).
Seelsorge an der Schnittstelle von Kirche und Staat
Im Mittelpunkt der aktuellen KEPP-Tagung stand das Thema „ZauberFormel oder Ladenhüter - Kritische Solidarität 2.0“. Kann „kritische Solidarität“ angesichts der Veränderungen in Polizei, Kirche und Gesellschaft weiterhin als zentraler Grundgedanke für die Polizeiseelsorge der Evangelischen Kirche in Deutschland dienen? Bereits im Jahr 2004 hatte die KEPP dazu eine grundlegende „Standortbestimmung“ für die Arbeit der Evangelischen Polizeiseelsorge formuliert. Sie beschreibt die Kernaufgaben der Polizeiseelsorger:innen als "qualifiziertes Handeln an der Schnittstelle von Kirche und Staat". Als Ziel der „gewollten Anwesenheit kirchlicher Amtsträger im Handlungsfeld der Polizei“ wird genannt: „Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte und deren Angehörige in ihrer Berufswelt solidarisch und kritisch zu begleiten.“
Hochkarätige Beiträge zu Seelsorge, Ethik und Polizeiarbeit
Den einführenden Vortrag bei der Tagung in Arnoldshain hielt Karsten Dittmann, Polizeipfarrer und Lehrbeauftragter der EKD für Ethik an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) in Münster. Er bezeichnete den Bezug zwischen Seelsorge und Ethik als „konstitutiv“. Niklas Peuckmann, Professor für Praktische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, schärfte den Seelsorgebegriff näher. Er ließ keinen Zweifel daran, dass Seelsorge immer auch kritisches Potential berge und (bisweilen) durchaus auch als öffentliche Seelsorge zu verstehen sei.
Professor Tobias Singelnstein, Kriminologe und Strafrechtler an der Goethe-Universität Frankfurt, und seine wissenschaftliche Mitarbeitern Hannah Espín Grau stellten ihre Erfahrungen aus der Forschung zu „Gewalt im Amt – übermäßige polizeiliche Gewaltanwendung und ihre Aufarbeitung“ zur Verfügung und formulierten Fragen an die Polizeiseelsorgenden. Anja Mensching, Kriminologin, Sozialpädagogin und Professorin für Organisationspädagogik in Kiel thematisierte den Umgang mit Fehlern in der Polizei. Dabei betonte sie die organisationale Seite, die strukturell oder kulturbedingt angelegte Fehler häufig als individuell zurechenbare Verfehlungen uminterpretiere. Clemens Lorei, Professor für Psychologie und Einsatztraining Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS), nahm sich der Muster von Tabuisierungen und des Schweigens innerhalb der Polizei an.
Diskussionsrunde mit dem Landespolizeivizepräsident
Bei einem hochkarätig besetzten Podiumsgespräch mit Vertreter:innen der Polizei und der Kirche ging es dann um „gute Fehlerkultur“ und um Möglichkeiten des „Voneinander-Lernens“, der kritischen Solidarität untereinander, auch zur Erhaltung von demokratischer Resilienz. Diskussionsteilnehmer waren der hessische Landespolizeivizepräsident Felix Paschek, Professor Julian Junk, Leiter der Forschungsgruppe Radikalisierung am PRIF – Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung und Professor für Extremismusforschung an HöMS, und EKHN-Oberkirchenrat Martin Mencke, Leiter des Evangelischen Büros am Hessischen Landtag in Wiesbaden.
Als Fazit der Tagung ist festzuhalten, dass „kritische Solidarität“ weiter ein Leitmotiv der Evangelischen Polizeiseelsorge bleibt, die bisher ausformulierte Standortbestimmung jedoch einer weiteren Überarbeitung bedarf.
Gottesdienst mit der EKHN-Kirchenpräsidentin
Bei allen Diskussionen wusste die Konferenz aber auch zu feiern. Zum Beispiel mit einem, nach Meinung der Teilnehmenden, „sehr schönen Gottesdienst“ mit der Kirchenpräsidentin der EKHN Christiane Tietz. Sie predigte über die Versuchungsgeschichte aus dem Matthäusevangelium (Kapitel 4, Verse 1-11), in der Jesus drei Provokationen teuflischer Macht auf unterschiedliche Weise widersteht. Das Holzbläserquartett des hessischen Landespolizeiorchesters und Organist Bernhardt Brand-Hofmeister sorgten für angemessene Musik. Die einträgliche Kollekte war für den Verfassungsblog bestimmt.
Bei einer Exkursion besuchten die Tagungsteilnehmer:innen die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt und führten sich noch einmal die Ausschreitungen bei der Eröffnung im Jahr 2015 vor Augen. Dabei berichteten ein Sicherheitsverantwortlicher aus der EZB und drei Polizisten von ihren bis heute nachwirkenden Eindrücken. Eine Erkenntnis war, dass die Polizeiseelsorge im Nachhinein zu Nachbesprechungen hätte eingeladen werden sollen. Ein weiterer Exkursionsort war die Paulskirche in der Frankfurter City – ein historischer Ort, der die Ambivalenz als Demokratie- und Nationalstaatssymbol anschaulich vor Augen führt.
Evangelische Polizeiseelsorge in Deutschland, Konferenz der Evangelischen Polizeiseelsorge KEPP