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Impuls zum Monatsspruch Juli 2022

Durst nach Lebendigem

"Water, water everywhere, nor any drop to drink" – eine alte Ballade beschreibt eine schlimme Erfahrung: inmitten von Wasser kein trinkbarer Tropfen. Die Metapher steht für Mangelerfahrungen aller Art inmitten von Überfluss. Aber was ist denn zum Leben wirklich nötig?

"Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott." (Psalm 42, Vers 2)

"Water, water everywhere, nor any drop to drink" - in knappen Wort bringt "The Ancient Mariner" in der gleichnamigen Ballade von Samuel Taylor Coleridge (1772-1834) eine Erfahrung auf den Punkt, die sich nicht auf Schiffbrüchige beschränkt: inmitten von Wasser kein trinkbarer Tropfen. Meerwasser löscht den Durst nicht, sondern verschlimmert ihn - das ist Fakt, der keines Selbstversuchs bedarf. Umso mehr taugt er als Metapher für Mangelerfahrungen aller Art inmitten von Überfluss.

"I can´t get no satisfaction" reklamierten die "Stones" in den 60ern und gaben damit einem Unbehagen Ausdruck, dass über Generationen dem Überdruss an Manipulation durch Werbung, an Oberflächlichkeit und Verschwendung Ausdruck gab, an sinnentleerter Fülle, die Lebenswichtiges verstellt und schuldig bleibt.

In Zeiten des Klimawandels und der Ressourcenknappheit erscheinen die Metapher und ihr Ursprung von gleichermaßen beängstigender Aktualität. Wasser, das lebensspendende Nass wird knapp, selbst in Regionen, denen Wassermangel bislang fremd war. Verteilungs- und Generationengerechtigkeit werden angemahnt, regional wie weltweit, Selbstbeschränkung und Verzicht als Aufgabe jedes einzelnen sowie staatlicher Verbände. Dabei birgt die Frage, was denn zum Leben wirklich nötig ist und was es erfüllt, auch Chancen neuer Sinnerfahrung, die es erlauben, alte Surrogate zu enttarnen und zu verabschieden.

Der Monatsspruch für Juli sorgt da für eine Konzentration eigener Art: "Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott."

Martin Luther war der festen Meinung, dass einem Christenmenschen im Glauben dieser Durst gestillt wird und er damit umfassend frei wird für die Welt und ihre Belange - zu seinem und zu aller Besten.

Von Pfarrer Wolfgang Hinz


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