Impuls zum Monatsspruch September 2023
Stimmt der erste Eindruck?
Kategorie: Impulse
Quelle: Polizeipfarramt der EKHN
Bildrechte: Ekhn_PolPfarramt_MG
„Jesus Christus spricht: Wer sagt denn ihr, dass ich sei?“ (Matthäusevangelium, Kapitel 16, Vers 15)
Ist es Ihnen schon aufgefallen? Wenn Ihnen jemand begegnet, den Sie nicht kennen, dann dauert es keine Zehntelsekunde, bis Sie von diesem Menschen einen ersten Eindruck haben. Finden Sie diese Person vertrauenswürdig oder gefährlich? Interessant oder langweilig? Attraktiv oder abstoßend?
Es ist faszinierend aber irgendwie auch erschreckend, wie schnell sich in mir ein Bild von einem Menschen formt, den ich (noch) gar nicht kenne.
Faszinierend, weil diese Fähigkeit sehr nützlich ist, um mit unerwarteten Situationen klar zu kommen. Die Verhaltensforschung vermutet, das menschliche Gehirn habe diese Begabung in der Evolution schon sehr früh entwickelt, um Raubtiere zu identifizieren. Sie war überlebensnotwendig und ist es bis heute geblieben. Als Polizist:in wissen Sie genau, wie wichtig intuitive Menschenkenntnis ist, um Gefahren für andere und für sich selbst schnell zu erkennen. Und um adäquat darauf reagieren zu können.
Dessen unbenommen kenne ich aber auch Situationen, in denen ich erschrocken bin, wie schnell ich eine Person in eine Schublade gesteckt hatte, nur aufgrund des ersten Eindrucks von ihr. Denn es zeigte sich: Meine Schublade passt für ihn oder sie gar nicht! Jeder Mensch ist einzigartig und hat verschiedene Seiten.
Der Schriftsteller Max Frisch schreibt in seinem Tagebuch: „Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen.“ Diese Gedanken von Max Frisch begleiten mich schon lange. Sie helfen mir, den ersten Eindruck, den ich von einem Menschen habe, nicht in Stein zu meißeln.
„Und für wen haltet ihr mich?“ So fragt Jesus die Jüngerinnen und Jünger, die mit ihm unterwegs sind. Dadurch fordert er sie heraus, ihm (und anderen Menschen) offen und neugierig zu begegnen. Kein schlechter Impuls.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich von anderen Menschen immer wieder positiv überraschen lassen können.
Ihr Polizeipfarrer
Michael Grimm