Menu
Menü
X

Gedanken zur Weihnachtszeit 2023

Wenn Dornen Rosen tragen

Figuren stehen zusammen und bilden die heilige Familie in der Krippe

Eine junge Frau bringt unter ärmlichen Umständen ein Kind zur Welt. Aber Gott lässt genau da das Licht leuchten. Mehr über die Weihnachtshoffnung, die etwas zum Blühen bringt, im geistlichen Impuls zum Advent.

Von Ulrike Scherf (Foto l.), Stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN)

Weihnachtszeit. In vielen Häusern und Geschäften werden Krippenfiguren aufgestellt: Ochs und Esel, eine glücklich strahlende Maria in blauem Gewand, ein treusorgender Josef mit Wanderstab und über allem ein Engelschor. Mittendrin friedlich: das Jesuskind. Manchmal erscheinen mir solche Darstellungen der Ausdruck einer Sehnsucht zu sein: Nach Sicherheit, nach Frieden, nach Zusammenhalt in der Familie. Völlig verständlich, denn wer sehnt sich nicht nach all dem, gerade zu Weihnachten?

„Maria durch ein Dornwald ging“ – dieses alte Lied, ursprünglich wohl beim Pilgern gesungen, hat auch in das Beiheft zu unserem Gesangbuch Eingang gefunden. Es öffnet meinen Blick für eine andere Dimension von Weihnachten.

Ich stelle mir vor: Maria, eine junge Frau, ist plötzlich schwanger. Zuerst ist sie erschrocken. Wie soll das gehen, als unverheiratete Frau zur damaligen Zeit? Dornig und steinig erscheint ihr der Weg, der vor ihr liegt. Und trotzdem spürt sie eine leise Freude in sich aufkeimen. Vielleicht will Gott es so. Dann kommt der kleine Jesus zur Welt. Aber nicht in einem sauberen Krankenhaus mit einem weichen Bettchen, sondern in einem ärmlichen Stall, weit weg von Zuhause.

Die ersten, die das Neugeborene besuchen, sind Hirten: Menschen vom Rand der Gesellschaft mit rauen Gesichtern und schwieligen Händen. Und doch ist da auf einmal ein Leuchten. Ich stelle mir vor, die Hirten haben einfache Geschenke dabei für die fremde Familie: Ein halbes Brot, ein weiches Lammfell, einen Schluck Ziegenmilch. Über allem scheint der Weihnachtsstern. Licht in der Dunkelheit: Gott ist zur Welt gekommen.

All das Sorgenvolle und Schwere verschwindet für einen Moment. „…da haben die Dornen Rosen getragen…“, heißt es in dem Lied.

In diesem Jahr, in dem so vieles auf unserer Welt im Argen liegt, ist das meine Weihnachtshoffnung: Gott lässt sein Licht besonders da leuchten, wo nicht Glitzer und Gloria und ein perfekt geschmückter Weihnachtsbaum alles überstrahlen. Er sieht uns Menschen, wo Risse durch die Welt oder unsere ganz persönlichen Lebensgeschichten gehen. Er sieht uns, wo Wunden und Schwielen sind, oder Dornen den Weg säumen. Dorthin begibt er sich mit seiner Kraft und bringt etwas zum Blühen.

Dornen tragen Rosen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe und gesegnete Weihnachten!

Ihre Ulrike Scherf

Stellvertretende Kirchenpräsidentin


top