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Geistlicher Impuls für November 2024

Halloween – mehr als Klamauk und Business

Eine weiß geschminktes Gesicht, vielleicht eine Malerei, schaut Angsteinflößend auf den Betrachter.

Grusel

Hinter Halloween steckt unser ambivalentes Verhältnis zum Tod. Der Geistliche Impuls ruft dazu auf, angesichts des Todes Mut zum eigenen Leben zu haben. Und authentisch für das einzutreten, was einem wichtig ist.

„Lehre uns bedenken, Gott, dass wir sterben müssen, dann gewinnen wir ein weises Herz“ (Psalm 90,12)

Oktober – November – Herbst: Geister, Untote, Skelette, grauenvolle Wiedergänger aller Art bevölkern nach Einbruch der Dunkelheit die Straßen. Sie treiben ihr Unwesen und bedrohen unschuldige Eigenheimbesitzer an deren Haustür. 

Halloween! Bei uns in Rheinhessen (und nicht nur hier) wird der Vorabend von Allerheiligen mit großem Spektakel begangen. So war es auch in diesem Jahr. Nicht nur die Kinder freuten sich schon seit Wochen diebisch darauf, mit anderen von Tür zu Tür zu ziehen und „Süßes oder Saures“ zu skandieren. Auch zahlreiche Erwachsene verkleiden sich aufwendig und kreativ als gruselige Wesen aus der Anderswelt und treffen sich zu rauschenden Halloween-Partys.

Sind das uralte Bräuche? Der Eindruck täuscht ein wenig, denn Halloween wird in Deutschland erst seit 1991 in großem Stil gefeiert. Denn in diesem Jahr – die Älteren werden sich erinnern – war wegen des zweiten Golfkriegs die Karnevalssaison einschließlich der großen Rosenmontagszüge ausgefallen. Und deshalb hatte die Karnevalsbranche mit großem Aufwand dafür geworben, Halloween als Verkleidungsspektakel zu begehen – um finanzielle Verluste auszugleichen.

Der Tod gehört zum Leben dazu

Aber vielleicht steckt hinter Halloween doch mehr als nur Klamauk und Business. Das Brauchtum des Grusel-Festes ist über Irland und die USA zu uns gekommen. Am Vorabend des katholischen Festes Allerheiligen (All Hallows‘ Eve) ging es um das Gedenken der Verstorbenen. Möglicherweise sind sogar vorchristliche, keltische Traditionen eines Totenfestes eingeflossen. Die erleuchteten Kürbisse und der Lärm der Maskierten sollten die Geister aus dem Totenreich vertreiben, die in dieser Nacht die Menschen „heimsuchen“.

In diesem Fest spiegelt sich, so scheint es mir, unser ambivalentes Verhältnis zum Tod wider. Er gehört zum Leben dazu, das weiß jede/r. Und dennoch geben wir uns große Mühe, ihm nicht zu begegnen. Wir verdrängen ihn und tun im Alltag oft so, als ob es ihn gar nicht gebe. Oder wir versuchen ihn durch schwarzen Humor „wegzulachen“.

„Leichensachen“ und das Bewusstsein der Endlichkeit

In manchen Berufen ist es aber schwer möglich den Tod zu „vertreiben“, weil die Begegnung mit dem Tod ein fester Bestandteil der professionellen Tätigkeit darstellt. So gehört zu meinem Beruf des Pfarrers der Besuch bei Sterbenden, die Bestattung von Toten und die Begleitung Trauernder. Aber auch Polizist:innen haben häufig mit dem Tod zu tun. Schon während des Studiums gibt es erste Erfahrungen mit „Leichensachen“; und so mancher Studierende schreibt schon früh ein Testament, wenn ihm die Gefährlichkeit seines künftigen Berufs bewusst wird.

Im Bewusstsein der Endlichkeit zu leben muss keine Einschränkung der Lebensqualität bedeuten. Es kann sogar eine Bereicherung sein. In der Bibel heißt es: „Lehre uns bedenken, Gott, dass wir sterben müssen, dann gewinnen wir ein weises Herz“ (Psalm 90,12). Wer für sich klar hat, dass das Leben nicht ewig dauert, sieht womöglich deutlicher, worauf es wirklich ankommt und kann entsprechend leben.

Anders leben: Mut zum eigenen Leben

Die Australierin Bronnie Ware hat einige Jahre als Palliativpflegerin totkranke Menschen in deren letzter Lebensphase begleitet. Dabei ist ihr aufgefallen, dass viele Sterbende im Rückblick auf ihr eigenes Leben bereuen, nicht anders gelebt zu haben. Fünf Dinge wurden ihr immer wieder genannt, die Sterbende bereuen (Bronnie Ware hat darüber ein Buch geschrieben):

  • „Ich hätte gerne den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben – und mich nicht von den Erwartungen anderer leiten lassen.“
  • „Ich hätte nicht so hart arbeiten dürfen.“
  • „Ich hätte den Mut haben sollen, meine Gefühle auszudrücken.“
  • „Ich hätte mit meinen Freunden in Kontakt bleiben sollen.“
  • „Ich hätte mir mehr Glück und Zufriedenheit gönnen sollen.“

Mir sind diese Sätze als Orientierung für mein eigenes Leben sehr wichtig geworden. Der 31. Oktober, an dem die Menschen Halloween feiern, ist in der evangelischen Kirche zugleich der Tag des Reformationsfestes. Am Vorabend von Allerheiligen hatte Martin Luther im Jahr 1517 seine berühmten Thesen an das Kirchenportal in Wittenberg geheftet. Auch dabei ging es um Authentizität und Mut, für das einzutreten, was einem wichtig ist.

Diesen Mut zum „eigenen“ Leben wünsche ich Ihnen allen!

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Polizeipfarrer Michael Grimm


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