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„Von guten Mächten wunderbar geborgen“

Vor 80 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer von den Nazis hingerichtet

Das Foto in schwarz-weiß zeigt Dietrich Bonhoeffer in Großaufnahme.

1939 in London

Dietrich Bonhoeffer gilt wie kaum ein anderer evangelischer Theologe des 20. Jahrhunderts als „Zeuge des Glaubens“. Er protestierte gegen die Nazis und war aktiv im Widerstand gegen Hitler. Mehr über ihn im Impuls für April 2025.

Von Polizeipfarrer Dr. Michael Grimm

Am Morgen des 8. April 1945 hält Dietrich Bonhoeffer für seine Mitgefangenen einen letzten Gottesdienst in der Zelle. Dann wird er von SS-Leuten ins KZ Flossenbürg gebracht, wo man ihm noch am selben Abend den Prozess macht, ohne Zeugen und ohne Verteidigung. Vor dem SS-Richter gibt Bonhoeffer „bereitwillig“ seine Beteiligung an einem versuchten Regimewechsel zu, bei dem Hitler mit Gewalt abgesetzt werden sollte. Am nächsten Morgen wird er dort gehängt, im Alter von 39 Jahren.

Für mich ist Dietrich Bonhoeffer eine der eindrucksvollsten Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts. Er ist für mich auch ein leuchtendes Vorbild, obwohl ich nicht weiß, ob ich die Kraft und den Mut hätte, in einer vergleichbaren Situation so zu leben und zu handeln, wie er es getan hat.

Dietrich Bonhoeffer hielt unbestechlich an seinen Werten fest

Wie konnte ein evangelischer Pfarrer, der von sich behauptete, ein Pazifist zu sein, und der an sich selbst den Anspruch stellte, konsequent aus der Liebesbotschaft der Bibel zu leben, zu einem politischen Widerstandskämpfer werden, der ein gewaltsames Attentat auf ein Staatsoberhaupt unterstützt und mitvorbereitet?

Dietrich Bonhoeffer war in der Lage, gegen den Strom zu schwimmen und unbestechlich an seinen Werten festzuhalten. Im Jahr 1943 schrieb er: „Die große Maskerade des Bösen hat alle ethischen Begriffe durcheinandergewirbelt. Dass das Böse in der Gestalt des Lichts, der Wohltat, des geschichtlich Notwendigen, des sozial Gerechten erscheint, ist für den aus unserer tradierten, ethischen Begriffswelt Kommenden verwirrend; für den Christen, der aus der Bibel lebt, ist es gerade die Bestätigung der abgründigen Bosheit des Bösen.“

Er sah seinen Platz in Deutschland beim Widerstand

Schon 1934 hatte Bonhoeffer einen langen Brief an Mahatma Gandhi verfasst, in dem er formulierte: „Europa und Deutschland leiden unter einem gefährlichen Fieber und sind dabei, sowohl die Selbstkontrolle als auch das Bewusstsein für das zu verliere, was sie tun.“ Er wollte nach Indien reisen, um von Gandhi zu lernen, doch aufgrund der Situation in Deutschland kam diese Reise nie zustande. Stattdessen leitete Bonhoeffer die Ausbildung von Pfarrern der Bekennenden Kirche in Finkenwalde, zuerst öffentlich und dann später im Untergrund. Als er im Juni 1939 in die USA reiste, hätte er die Möglichkeit gehabt, dort zu bleiben, denn ihm war eine Stelle als Seelsorger deutscher Flüchtlinge angeboten worden. Aber aus Verantwortung lehnte er den Weg ins Exil ab, denn er sah seinen Platz in Deutschland.

Hier schloss er sich dem militärisch-politischen Widerstandskreis um Admiral Canaris an. Die Frage des Tyrannenmords – darf ein Christ gegen das Gebot „Du sollst nicht morden“ verstoßen? – machte Bonhoeffer sich keineswegs leicht, aber er beantwortete sie schließlich für diesen konkreten Fall mit einem „Ja“. Er schreibt: „Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christlichen Haltungen. Den Christen rufen nicht erst die Erfahrungen am eigenen Leibe, sondern die Erfahrungen am Leibe der Brüder, um derentwillen Christus gelitten hat, zur Tat und zum Mitleiden.“

Bewundernswert stark - und gleichzeitig ohnmächtig bangend

Am 5. April wurde Dietrich Bonhoeffer wegen „Wehrkraftzersetzung“ verhaftet. In der Gefangenschaft ringt er heftig mit Gott und hat anfangs suizidale Gedanken. Doch mit der Zeit wird sein Gottvertrauen immer stärker. Die Mitgefangenen bewundern ihn für seine Würde und Klarheit, doch in ihm drinnen sieht es auch anders aus: „Zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung, umgetrieben vom Warten auf große Dinge, ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne, müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen“.

Zu Weihnachten 1944 schreibt Bonhoeffer einen Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer. Teil dieses Briefs ist ein Gedicht, das später berühmt und als Lied vertont wird:

„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Das Gedicht klammert das Dunkle nicht aus („Noch will das Alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwerer Last“), aber es bringt eine große Zuversicht und Hoffnung zum Ausdruck. Ich stelle mir Bonhoeffer nachts, isoliert in seiner Zelle vor, wenn er schreibt:

„Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang, der Welt die unsichtbar sich um uns weitet, all deiner Kinder hohen Lobgesang.“

Dietrich Bonhoeffer war kein Heiliger. Er war ein Dandy, der gute Kleidung liebte und gerne rauchte. Aber das macht für mich seinen Lebensweg umso glaubwürdiger. Ich wünsche mir seine Klarheit und Unbestechlichkeit in der Analyse der politischen und gesellschaftlichen Situation, sein konsequentes Festhalten an ethischen Werten, seine Verantwortung nicht davon zu laufen, wenn es auf einen ankommt, und seine Zuversicht, von guten Mächten umgeben, behütet und getröstet zu sein. Wir brauchen Dietrich Bonhoeffers Zeugnis heute mehr denn je.

Dr. Michael Grimm, Polizeipfarramt der EKHN


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