Menu
Menü
X

Geistlicher Impuls für Oktober 2025

Werden die Bösen von Engeln erschossen?

Das Foto zeigt ein Kind mit ernstem, entschlossenem Blick und einer Schnellfeuerwaffe in den Händen

Bild von Christian Riskau

Kunst als Diskussionsobjekt. Kinder im Krieg. Und Bereitschaft zur Gewaltanwendung zum Schutz des Friedens. Darüber denkt der Impuls für Oktober 2025 nach.

von Polizeipfarrer Dr. Michael Grimm

Über Kunst kann man ja bekanntlich streiten. Die mir bekannten Reaktionen auf Christian Riskaus Bild „Und die Bösen werden von Engeln erschossen“ reichen von „verstörend“ über „geschmacklos“ bis hin zu „hochspannend“. Auf jeden Fall ist das Bild ein Hingucker. Wie vom Künstler beabsichtigt, provoziert es eine Auseinandersetzung.

Der blonde Engel in Gestalt eines Kindes, mit ernstem, entschlossenem Blick und einer Schnellfeuerwaffe in den Händen – er erinnert mich zuerst an Kinder im Krieg. Kindersoldaten in Afrika. Kinder in der Ukraine, denen der russische Angriffskrieg ihre Kindheit raubt. Kinder im Gazastreifen und in Israel, die durch Terror und Krieg zutiefst traumatisiert sind und nur noch Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung kennen.

Beim näheren Hinsehen stellen sich noch andere Assoziationen ein. Zum Zorn über das, was Kindern durch Kriege und Gewalt angetan wird, gesellt sich die beunruhigende Ahnung, dass es in der Frage, ob wir auf militärische Gewaltausübung verzichten können, womöglich keine einfache Antwort gibt.

Ein Engel, der die Bösen erschießt, weil wir brutalen und skrupellosen Aggressoren selbst nichts entgegenzusetzen haben – ist das nicht auch ein Frontalangriff auf eine radikal-pazifistische Grundhaltung, die jeden Einsatz von Waffen ablehnt und Frieden allein durch zivile Konfliktlösungsstrategien erreichen will? Diese Position hat ja auch in den christlichen Kirchen starke Befürworter – getreu dem biblischen Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ (Jesaja Kapitel 2, Vers 4). Anhand der Fragen nach einer Aufrüstung der Bundeswehr und einer weiteren militärischen Unterstützung der Ukraine wird derzeit in unserer Gesellschaft eine hoch emotionale Debatte geführt.

Die Erwartung, dass der Frieden einfach so vom Himmel fällt, ist wohl genauso surreal wie das Bildnis dieses „Kindersoldatenengels“. Der Frieden muss auch von uns selbst errungen werden, denn nur so kann er gerecht und nachhaltig sein. Dabei stoßen wir auf das Paradox, dass der Schutz der Menschenwürde manchmal nur möglich ist, wenn wir dafür gerüstet sind, notfalls dafür auch Gewalt anzuwenden.

Auch Frauen und Männer, die sich für den Polizeiberuf entschieden haben, leben mit diesem Paradox. Sie lernen schießen und hoffen doch, ihre Schusswaffe nicht gebrauchen zu müssen. Und sie nehmen das Risiko in Kauf, zum Schutz der Menschenwürde anderer selbst Verletzungen zu erleiden.

Körperliche Verletzungen durch die Gewalt anderer. Psychische Verletzungen durch belastende Ereignisse. Und moralische Verletzungen, wenn bei der Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols in moralischen Dilemmata tiefe Schuldgefühle entstehen. Für ihren Einsatz haben sie größte Achtung aber auch bestmögliche Unterstützungsangebote verdient.

Als Polizeiseelsorgerinnen und Polizeiseelsorger orientieren wir uns am christlichen Menschenbild. Dazu gehört das Wissen, dass Schuldigwerden zum Menschsein dazu gehört, aber auch, dass es möglich ist, mit Schuld weiter zu leben und Vergebung zu erfahren.

Was löst das Bild bei Ihnen aus? Schreiben Sie es mir gerne unter: michael.grimm@ekhn.de

Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen

Ihr Polizeiseelsorger Michael Grimm

"Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen." (Jesaja Kapitel 2, Vers 4)

 


top