Geistlicher Impuls für Juni 2025
Wie voneinander reden?
Apostelgeschichte 10,28
Kategorie: Impulse
Quelle: Polizeipfarramt der EKHN
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Von Ltd. Polizeipfarrerin Barbara Görich-Reinel
"Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unvorschriftsmäßig oder unrein nennen darf." (Apostelgeschichte Kapitel 10, Vers 28)
Tabubruch: Petrus, einer der jüdischen Jünger Jesu und dann Apostel für das Evangelium Jesu Christi, betritt das Haus eines römischen Militärhauptmanns. Dieser „heidnische“ Kornelius verrichtet seinen Dienst in der antiken Garnisonsstadt Cäsarea. Er bittet Petrus um einen persönlichen Besuch, was aber einem Juden eigentlich verboten ist. Doch Petrus kommt und bricht die Norm. So berichtet es das Neue Testament.
Die Haltung entscheidet
Die Begegnung von Kornelius und Petrus zeugt von Achtung. Kornelius hat sich vom Kaiserkult losgesagt und erweist sich als gerecht lebender, frommer Gottgläubiger und sozial eingestellter Mensch. Aber offenbar befolgt er weder Speisegebote noch andere Regeln der jüdischen Tradition. Petrus, der Nachfolger Jesu, meint: Darauf kommt es nicht an. Wichtiger sind die Haltung und Einstellung eines Menschen.
Strenge Unterscheidungen, getrennte Lebenswelten, das Entweder-Oder, Schwarz-Weiß-Denken, Festlegungen zwischen „denen“ und „wir“ sind nicht immer hilfreich. Sprachlich gar jemanden herabzuwürdigen und als unvorschriftsmäßig, „unheilig“ oder „unrein“ zu diffamieren ist hier biblisch widerlegt.
Mensch sein
Den Menschen hinter seinem Äußeren, hinter fremden Gepflogenheiten zu sehen – darauf kommt es an. Wir sollen einfach „Mensch sein“, im Sinne der jüngst verstorbenen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer.
Die Vorstellung vom „rein sein“, nur in einem kultisch „reinen Zustand“ in Beziehung zu Gott zu treten, kennen wir aus vielen Religionen. Rituale untermauern dies: Waschungen, Untertauchen bei der Taufe, Beichte, Speiseregeln, Einhalten von Kleiderordnungen oder festgelegte Ruhezeiten.
Solche Regeln bieten einen Halt in der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Aber auch im Zusammenleben der Menschen: Das Achten von Geboten als ethische Komponente der Lebensführung ist entscheidend im Miteinander von Personen und dient dem Wohl der Allgemeinheit.
Doch häufig wurde und wird kultische Reinheit reduziert oder überhöht, als moralisches Druckmittel überliefert und am Sexualverhalten festgemacht. Vorstellungen von Reinheit wurden und werden als Machtmittel eingesetzt: Wie lange galten Frauen als unrein und durften deshalb keine Ämter übernehmen?
Auf die eigenen Worte achten
Auch Jesus selbst kritisiert die nur formelle Einhaltung von Reinheitsregeln (Markusevangelium Kapitel 7, Vers 15): „Es gibt nichts, was von außen in den Menschen hineingeht, das ihn unrein machen könnte; sondern was aus dem Menschen herauskommt, das ist’s, was den Menschen unrein macht." Statt ungewaschene Hände beim Essen zu maßregeln, soll man lieber auf seine Worte achten.
„Ist das die häusliche Gewalt?“ So fragt ein Beamter über meinen Kopf hinweg einen anderen, als ich eine Dienststelle besuche. „Ist das die Niere von Zimmer 10?“ Das kennen wir aus dem Krankenhaus. Menschen werden reduziert und sind zum Fall geworden. Unvorschriftsmäßig, aber passiert!
Wie spricht man nun von denen, die sich einer Gemeinschaft entziehen oder sie gar gefährden? Sind sie „schräge Vögel“ – oder was? Ein heikles Thema, wie schnell kann man hier diskriminierend reden, ohne, dass man es beabsichtigt. Wie schnell verwendet man moralische Kategorien. Und das Urteil „rein oder unrein“ ist nicht weit weg.
Wie voneinander reden?
So: Kennenlernen, nachfragen, mit Namen nennen. Menschlich bleiben.
Und wenn manche Selbstbezeichnung unvorschriftsmäßig und unheilig daherkommt, muss man sie nicht übernehmen. Im Sinne der Menschheit und nach Gottes Willen.
Barbara Görich-Reinel ist die Ltd. Polizeipfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN)