1980 - 1993: Rückblick Pfarrer Hans Hartwig von Goessel
Mein Dienst als Polizeipfarrer der EKHN begann am 1. Juni 1980, zunächst noch in Verbindung mit dem Sozialpfarramt. Sehr bald aber wurde deutlich, dass die Aufgaben der Polizeiseelsorge in dem großräumigen Bereich des Kirchengebietes die volle Arbeitskraft eines hauptamtlichen Pfarrers beansprucht. Als dann 1982 der Bau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens und damit immer heftiger werdende Auseinandersetzungen begannen, wurde eine Aufgabentrennung zwischen Sozialpfarramt und Polizeipfarramt zwingend notwendig.
In den ersten Monaten meiner Tätigkeit war die Bereitschaft der Polizeiführung und des Hessischen Innenministeriums zur Unterstützung und Kooperation etwas zurückhaltend und abwartend. Sehr bald aber änderte sich das. Die damaligen Innenminister Gries und Günther, der zuständige Abteilungsleiter v. Hoerschelmann, die Direktoren der Hessischen Polizeischule, der Bereitschaftspolizei und des Landeskriminalamtes, aber auch die Polizeipräsidenten erkannten die Notwendigkeit der Seelsorgeangebote in ihren Dienststellen.
So erschien der Frankfurter Polizeipräsident Dr. Gemmer am 2. November 1982 persönlich in meinem Büro und sagte: "Herr Pfarrer, ich möchte Ihnen mit meinem Besuch in aller Form mitteilen, dass wir soeben mit der Räumung des Hüttendorfes begonnen haben. Bitte helfen Sie uns, dass diese schwierige Aktion so friedlich wie möglich ablaufen kann." Seit diesem Tag war ich für einige Wochen fast täglich an der Einsatzstelle des Frankfurter Flughafens und habe in laufenden Gesprächen, Diskussionen und Konferenzen zwischen Polizei und Kirche zu vermitteln versucht.
Der Aufbau der Polizeiseelsorge entwickelte sich seitdem in drei Schwerpunkten: 1. Kontaktbesuche in möglichst vielen Dienststellen der Polizei, 2. Berufsethischer Unterricht in der Polizeischule und bei der Bereitschaftspolizei, sowie 3. Durchführung von Tagungen, Freizeiten, Studienreisen, Vorträgen und Gottesdiensten. Es entstand die ständige Einrichtung des Neujahrsempfangs für Polizei und Kirche in der Wiesbadener Kreuzkirche und des Adventskonzertes in der Wiesbadener Marktkirche. Bei beiden Veranstaltungen spielte das Hessische Polizeiorchester unter der Leitung von Joseph Kanz eine tragende Rolle.
Nach der Wiedervereinigung kam es zu einer speziellen Partnerschaft mit den Landeskirchen Görlitz (Niederschlesische Oberlausitz) und Thüringen und den dortigen Polizeidienststellen. Schon 1991 kamen 20 thüringische Polizisten zu einer Tagung nach Wiesbaden, bald darauf nahmen sie auch an den Seminaren für Verkehrserzieher der Polizei teil, die ich auch in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Verkehrsfragen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) begonnen hatte.
Durch diese intensive Kooperation mit den neuen Bundesländern konnten sowohl in Görlitz als auch in Thüringen hauptamtliche Polizeipfarrer ihre Tätigkeit aufnehmen, die bis heute im Dienst sind. Zusammenfassend und rückblickend kann ich sagen, dass die kirchliche Arbeit in der Polizei der schönste Teil meiner insgesamt 41-jährigen Berufsarbeit als Pfarrer gewesen ist.
Pfarrer i.R. Hans Hartwig von Goessel (im November 2014 im Alter von 86 Jahren verstorben)