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WissensWertes: Seele

Oft genügt ein Augenblick

Mit den Augen steht und fällt nicht nur unser Sehvermögen, sie lassen auch tief blicken. In ihnen kann man lesen, wie es um einen bestellt ist, seine seelische Verfassung. Unter Umständen aber auch, was einer vom anderen hält. Ein „Augen-Blick" genügt oft und man ist — ob Mensch, ob Tier — über einander im Bilde. Oder meint dies doch zumindest.

Gerade in polizeilichen Begegnungen spielt das intuitive Erfassen eine Rolle: Fühlt sich da einer ertappt? Hat er Angst? Und wenn ja, warum? Stimmt, was er sagt, mit dem überein, was er weiß? Menschenkenntnis und Berufserfahrung kommen einem hier zupass, stoßen aber auch an Grenzen. Bei Verstellungskünstlern etwa oder den ganz Ausgebufften, die vielleicht gar keine Seele haben oder aber eine rabenschwarze? Da kann eine Vernehmung zum Kraftakt und taktisch zur Herausforderung werden.

In der Seele ist der Mensch ganz für sich

Ob Täter, Opfer, Zeugen — Aufklärung bedarf verlässlicher Aussagen. Ein empathischer Ernst fördert das Gespräch und schafft Vertrauen, ambivalent sind „Seelenmassagen". Es macht einen Unterschied, ob ein Mensch sich freiwillig öffnet oder ob er geknackt wird — nicht jede „Beichte" hat am Ende rechtlich Bestand. Auch das Bundesverfassungsgericht zieht Grenzen. Ein Kernbereich privater Lebensgestaltung steht als „letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit" unter besonderem Schutz. Was für die Unverletzlichkeit der Wohnung (GGI 3) gilt, gilt erst recht für die Seele, quasi den innersten Kern des Kernbereichs.

In ihr ist der Mensch ganz für sich und verarbeitet was von außen auf ihn zukommt, Hier bildet er seine eigene Haltung, seine unverwechselbare Identität aus. Das ist mal beglückend, mal schmerzlich, oft ein einsames Geschäft, Seelenqualen inbegriffen.

Beistand von außen kann hilfreich sein, aber ganz begreifen, gar durchschauen wird einen keiner — nicht einmal man selbst. Diese Einsicht mag ernüchtern, ist aber auch entlastend. Ich kann und muss nicht alles ergründen. In jedem Fall gilt es, dieses letzte Reservat zu respektieren, zumal die Würde eines Menschen eng mit seiner seelischen Integrität verknüpft ist — erbarmungswürdig eine gebrochene Seele.

Bei Gott geht die Seele nicht verloren

Nach biblischer Einsicht ist, Gott sei Dank, der totale Durchblick allein ihm vorbehalten: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“ (1. Samuel Kapitel 16, Vers 7b) Rückhaltlose Offenheit wäre demnach allein Gott gegenüber ratsam. Und, weil er gerecht und gnädig ist, heilsam: „Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen." (Psalm 23, Vers 3)

In dieser Hoffnung lässt sich auch dem eigenen Ende entgegensehen. Wenn das „Auge bricht" und mit ihm alle Lebensbezüge schwinden, hält Gottes freundlicher Blick dem Tod stand. Was mich ausmacht, meine Seele, geht bei ihm nicht verloren.

Zwar erwartet sie eine finale Sichtung „wie durchs Feuer hindurch" (1. Korintherbrief Kapitel 3, Vers 15). Nicht alles, weiß Gott (und nicht nur er), taugt für die Ewigkeit. Spannend bleibt, was Bestand haben wird, womöglich zur eigenen Überraschung. Mein Bemühen um ein integres Leben ist jedenfalls aller Ehre wert — auch wenn ich zu Lebzeiten nicht immer und überall als „Seele von Mensch" passieren sollte. Unser Beurteilen ist vorläufig, das abschließende Urteil steht noch bevor.

von Polizeipfarrer Wolfgang Hinz

Wie immer das abschließende Urteil ausfällt: „Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich.“ (Psalm 63, Vers 9)

Das Faltblatt "Seele" aus der Reihe WissensWertes hier zum Download (Achtung: Kontakt-Adressen haben sich verändert.)

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